Hintergrund zum Stück
1992 starb Marlene Dietrich, doch ihr Mythos lebt. Sie
überwand die Grenzen, die um Nationen, Sprachen und die Rollen
der Geschlechter gezogen sind.
Vor der Kamera, auf der Bühne verkörperte
sie die sinnlich-lockende Sphinx: kühle Schönheit, Sex-Appeal
mit der Ausstrahlung einer starken Persönlichkeit, intelligent
und unabhängig.
Doch vor ihren Auftritten zitterte und zagte sie, war sie der Verzweiflung
nahe.
Ihre Stütze war da eine Frau, welche die Dietrich bei ihrem ersten Besuch in Berlin kurz nach dem Krieg auf die Wange geküsst hatte, wä:hrend Rest-Deutschland Gift und Galle spuckte. Diese Frau hatte im KZ gesessen und
nach der Befreiung kein Wort mehr gesprochen. Die Dietrich engagierte sie vom Fleck weg als Begleiterin.
Ihr erstes Konzert gab die Dietrich im Dezember 1953
in Las Vegas. Es war der Anfang ihrer zweiten Karriere als Diseuse.
Die Berlinerin war einst ausgezogen, um Hollywood zu erobern. Als sie
dieses Ziel erreicht hatte, kehrte sie im Alter von 52 den Filmstudios
den Rücken und trat einen Triumpfzug auf den Bühnen der großen
Musical-Halls der Welt an. Zwanzig Jahre reiste sie rastlos um die Welt,
umjubelt von Paris bis Moskau, von London bis Warschau, Monte Carlo,
Rio de Janeiro, Tokio und Sydney. "Supply and demand", Angebot
und Nachfrage, kommentierte sie lakonisch das Geheimnis ihres Erfolgs.
Auch als Sängerin war sie kein Star zum Anfassen. Sie faszinierte
durch Perfektion. Sie war die einsame femme fatale. Ihre Männlichkeit
wirkte auf Frauen und ihr Sex-Appeal auf Männer. Sie war die unnahbare
Göttin, die, wenn sie sang, dennoch ahnen ließ, dass
sie im Grunde ihres Herzens unheilbar romantisch war.
"Ich bin, Gott sei Dank, Berlinerin!" schrieb
Marlene Dietrich, die einen amerikanischen Pass hatte und in Paris
lebte. "Ich sage 'Gott sei Dank', weil der Berliner Humor mir mein
ganzes Leben erleichtert hat und mir geholfen hat, nicht in dem Gram
der Welt zu ertrinken. "
Doch als sie 1960 in die Bundesrepublik kam und auch
in Berlin auftrat, wurden Stimmen laut, die sie als Vaterlandsverräterin
beschimpften. Eine bittere Erfahrung. Als Deutsche hatte sie sich mitverantwortlich
gefühlt für den Krieg, der von Hitler ausgelöst worden
war. Sie hatte Hitler-Deutschland den Rücken gekehrt. Sie hatte
sich entschlossen, aktiv im Kampf gegen Hitler mitzuhelfen. Aus Liebe
zu dem anderen Deutschland hatte sie sich auf die Seite der "Feinde"
gestellt. Für ihre Tapferkeit war sie von den USA, Frankreich und
Israel ausgezeichnet worden. Der Weltöffentlichkeit galt sie immer
als Botschafterin des besseren Deutschland. Die Hassliebe, die
der Weltbürgerin aus Schöneberg auf ihrer Deutschland-Tournee
entgegenschlug, traf sie tief. Doch sie tat ihre Arbeit - mit preußischer
Disziplin. Am Ende, nach ihrem letzten Konzert in München, erntete
sie sagenhafte 62 Vorhänge.
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