![]() Claudia Riese: hinreißendes Solo![]() Das Stück von Franca Rame und Dario Fo ist eine sehr unterhaltsame Liebes-"Schule". Es dreht sich alles um das Liebesglück, darum wie dieses Liebesglück (und damit das Glück der Menschen) wohl erreicht werden könne. Wir meinen: Angesichts vieler katastrophaler Umstände in der Welt eine zentrale Frage. Scheinbar eine private Frage - und dennoch sehr politisch. Sind doch viele politische Katastrophen die Folge von Defiziten der Handelnden - Männer - in Bezug auf die Liebesfähigkeit. Solche Mängel machen krank. Und die Welt scheint insgesamt krank. In Italien wurde das Stück für Jugendliche unter 18 verboten (wie das Fo/Rame-Theater sehr häufig polizeilich beschattet und politisch angegriffen wurde). |
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Dario Fo - ein italienisches Phänomen
Mit Werken wie "Mistero buffo'' oder "Offene Zweierbeziehung'' gehört Dario Fo zu den international erfolgreichsten Autoren. Rund 70 Stücke hat er zusammen mit seiner Frau und Bühnenpartnerin Franca Rame geschrieben. In mehr als 30 Sprachen wurden seine Werke, darunter "Bezahlt wird nicht'' und "Hilfe, das Volk kommt!'', übertragen. Oft agiert er selbst auf der Bühne. Nicht ohne Neid bezeichnete Pier Paolo Pasolini ihn einmal als "eine Art Pest, die das italienische Theater befallen hat''.Fo ist ein Phänomen. Kein anderer brachte das Kunststück fertig, gleichzeitig den Papst und die Kommunisten gegen sich aufzubringen. Mehr als 40 Gerichtsverfahren, zumeist wegen Beleidigung, hat er überstanden, wiederholt wurde er von der Bühne weg verhaftet. Aber als erster reiner Theaterautor erhielt er 1997 den Literatur-Nobelpreis. Leiser ist er deswegen nicht geworden: "Der Nobelpreis hat meine Kraft, sich Gehör zu verschaffen, enorm wachsen lassen.'' jl
aus: Südwest Presse vom 24. März 2001
Franca Ramestammt aus einer der damals noch durchs Land ziehenden Familien von Volksschauspielern. Mit acht Jahren stand sie erstmals auf der Bühne. 1949, knapp 20 Jahre alt, verlässt sie ihre Familie und wird Revueschauspielerin bei den populärsten Theatergruppen - ein Titelfoto macht sie über Nacht berühmt. 1951 lernen sich der Puklikumsliebling Franca Rame und Dario Fo bei der Arbeit im Theater kennen. Fo ist von Beruf Architekt, hat aber zu der Zeit auch schon zwei Jahre auf und für Theaterbühnen gearbeitet. Sie heiraten 1954, ein Jahr später kommt ihr einziges Kind, Sohn Jacopo Fo, zur Welt.Franca Rame und Dario Fo sind derzeit das wohl bekannteste italienische Theatermacher-Duo. Ihre Theatermacherei sorgt regelmäßig für Zündstoff, denn ihre Arbeit ist alles andere als konventionell zu nennen. Was sie auf die Bühne brachten und bringen, ist überwiegend selbst geschrieben, oft in Improvisationsfolgen, im Spiel und durch Spiel entstanden. Politisch links orientiert, lassen sie in ihren Stücken diesem dezidierten Standpunkt immer Raum. Zwar wurde nur Dario Fo 1997 mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet, aber Kenner wie der Die Zeit-Autor Rolf Michaelis sagen: Seine Partnerin habe am Werk genauso viel Anteil wie er. Stücke wie "Offene Zweierbeziehung", die weltweit aufgeführt werden, sind in gemeinsamer Autorenschaft entstanden. Es gibt kein Stück von Fo, an dessen Text Franca Rame nicht maßgeblich mitgearbeitet hätte. Sie schreibt aber auch eigene Stücke, die sich immer wieder auch Frauenthemen widmen. Hart und sehr direkt erzählt und spielt sie diese Frauengeschichten, die zum Teil autobiografisch sind. Deswegen kamen sie sehr lange gar nicht auf die Bühnen. Beispielsweise der Schluss des Ein-Personen-Stücks "Sex - aber mit Vergnügen!": Wenn da Franca Rame einen Epilog anhängt über das Thema Vergewaltigung, schreibt und spielt sie auch aus eigenem negativem Erleben: 1978 wurde Franca Rama auf offener Straße in einen Lieferwagen gezerrt und von vier Männern vergewaltigt. 25 Jahre später werden rechte Terroraktionen der 70er Jahre untersucht und dabei erhärtet sich der Verdacht, dass dieses Verbrechen an Franca Rame von vier Neofaschisten verübt worden war, initiiert von einer Mailänder Carabinieri-Einheit. "Sex - aber mit Vergnügen!", das Franca Rame unter der Regie von Dario Fo uraufgeführt und selbst viele Male mit großem Erfolg gespielt hat, war für das prüde Italien auch noch in anderer Weise skandalträchtig: Franca Rame hat dieses Stück geschrieben, angeregt durch ein ziemlich offenes Aufklärungsbuch ihres Sohnes (Autor und Schauspieler). Dieses Buch ("Zen oder die Kunst des Vögelns") provozierte so viele Reaktionen, dass Franca Rame, immer wieder angesprochen auf dieses Buch, sich entschloss, ihre künstlerische Antwort auf die vielen, offenbar drängenden Fragen schauspielend landesweit auf den Bühnen zu geben. |

"Sex - aber mit Vergnügen!" im Augus-Theater(sweetypie) - "Ich glaube, wir müssen uns mal unterhalten!" Wer hat diesen Satz in der Pubertät von seiner peinlich berührten Mutter oder seinem verlegen drein schauenden Vater nicht gehört?! Was folgt, ist ein mehr schlechter als rechter Eltern-Monolog zum Thema Aufklärung. In einer beiden Seiten äußerst unangenehmen, steifen Atmosphäre, versuchen die Eltern dann, dieses eine Gespräch, das sie Jahre vor sich her geschoben haben, hinter sich zubringen. Unter ständiger Anstrengung, nicht rot zu werden, erzählen sie Geschichten von Bienen und Blumen oder "Pipis" und "Blumentöpfen". Die Söhne oder Töchter, die vor dem Gespräch eh schon alles über dieses Thema wissen oder dies zumindest glauben, sind danach meist mehr irritiert als informiert. So erging es auch Nora in "Sex-aber mit Vergnügen!".Von Gurken in Hosen und gerupften Truthähnen Anstatt sie aufzuklären, hat Noras Mutter sie lediglich vor Männern im Allgemeinen gewarnt. Ohne jegliches Wissen über Verhütung oder Sex versuchte Nora daher anfangs, sich Männer schlichtweg vom Leib zu halten. Eines Tages jedoch wagte sich einer näher an sie heran und drückte, wie sie es beschreibt, die "Gurke in seiner Hose" an ihr "vorderes Gesäß". So hatte Noras Mutter einst das weibliche Geschlechtsorgan bezeichnet. Als sie das männliche Geschlechtsteil zum ersten Mal sah, dachte sie an "einen toten Truthahn mit gerupftem Hals" und entwickelte eine Abneigung gegen Geflügel. Dann kam es wie es kommen musste: Als sie zum ersten Mal verliebt war, wurde Nora schwanger, da sie der Meinung war, dass ein nicht gleichzeitiger Höhepunkt auch nicht zu Schwangerschaft führen würde. Humorvolle Anekdoten und einmalige Gesangseinlagen Ihre Sexual-Lebensgeschichte erzählt die mittlerweile erwachsene, als Nachtclubsängerin "Miss Looma" arbeitende Nora zwischen ihren Auftritten in der Umkleidekabine eines Clubs. Ihr einziger Verbündeter dort ist ihr Kollege Toni, gekonnt gespielt von Heinz Koch, dem Intendanten des AuGuS-Theaters. Toni erinnert sie an ihre Auftritte und köpft mit ihr den Sekt, den sie von älteren Herren spendiert bekommt. Die Songs, die Nora in dem Club singt, handeln von Liebe, Beziehungen und der Suche nach Männern. Hinter der Bühne diskutiert Nora jedoch auch Themen wie das mangelnde Sexwissen, das schon seit Adam und Eva zu Problemen und Trennungen führt. Die Sexprobleme kommen ihrer Meinung nach von der Erziehung und Kultur und betreffen alle und jeden. Auch die weibliche Menstruation, die Entjungferung und die Besonderheiten der weiblichen und männlichen Sexualität werden von Nora beleuchtet. Dabei fällt ihr auf, dass auch unser sexuelles Vokabular nicht gerade klingende Wörter beinhaltet und eher abschreckt als stimuliert. Man denke nur an Vulva oder Skrotum. Nora versteht es als ihre Aufgabe, ihr Sexualwissen weiter zugeben und zum Liebesglück der anderen beizutragen. Nachdem sie Männern die Illusion raubt, dass Frauen ihnen nie etwas vorspielen und einen weiblichen Orgasmus simuliert, erklärt sie anhand einer biologischen Beschreibung, wo denn nun genau der G-Punkt zu finden ist. Sie legt sogar ein Tonband auf, das mit viel "Ooooooh" und "Aaaaaah" verdeutlicht, wie sich die Frauen am Besten beim Sex verhalten sollten, um ihren Partner durch richtiges Atmen und die passenden Worte zu ermutigen. Am Ende ihres Auftritt-Abends rät Nora abschließend, beim Sex einfach mit dem Denken aufzuhören und einen gemeinsamen Rhythmus zu finden. Dann erfahre jeder "Orgasmen von biblischen Dimensionen". Na dann, viel Spaß beim Ausprobieren! Einzigartige Kombination von origineller Aufklärung und wahrer Schauspielkunst Claudia Riese, Sängerin, Regisseurin und Co-Intendantin des AuGuS-T, ist im diesem Stück, das in Italien sogar für unter 18-Jährige verboten wurde, mal wieder grandios und überzeugend. Sie spielt die Rolle der Nora so detailgetreu und hingebungsvoll, dass sich der Zuschauer wirklich als Gegenüber von Nora in dem Nachtclub fühlt. Das Erlebte beschreibt sie so offenherzig und mit viel Emotion und Augenzwinkern, dass die Zuschauer nicht selten euphorisch Tränen lachen. Bei Geschichten von "weichen, lebenden Würstchen" oder mangelnder Erfahrung des Sexpartners, denkt man automatisch schmunzelnd an eigene Erlebnisse zurück. Die verschiedenen Gesangseinlagen sind jede für sich einzigartig, von melancholisch bis explosiv. Mit "sex is a wonderful habit" eröffnet Nora im Lederoutfit mit Stiefeln den Abend. Die vielen Kostüm- und Stimmungswechsel erhalten durchweg die Spannung aufrecht und tragen zur Erlebbarkeit des Stücks bei. Es ist wirklich erstaunlich, wie Claudia Riese als die meiste Zeit einzige Schauspielerin auf der Bühne die Zuschauer die ganze Zeit über derart fesseln kann. Das Stück "Sex-aber mit Vergnügen!" lässt wirklich keinen Punkt des Aufklärungs-Themas aus. Mit einfachen Requisiten, Humor und einer einzigartigen Schauspielerin wird offen und auf hohem Niveau mit dem Thema umgegangen, das so oft nur hinter vorgehaltener Hand diskutiert wird. Dank Noras zahlreicher Infos und Tipps kann der ein oder andere hier sogar noch etwas lernen. Fazit: Ein unvergessliches Erlebnis rund um das beliebte Thema mit den 3 Buchstaben Internet-Portal Team-Ulm, Mai 2008 |
Eine imposante Ratgeberin in Sachen LiebeClaudia Riese brilliert in der Komödie "Sex - aber mit Vergnügen!"von Can Özbey Hier der Original-Artikel aus der Neu-Ulmer Zeitung vom Samstag, 03. Mai 2008 Und hier die online-Version.
"Pass bloß auf, meine Kleine, Männer wollen nur das Eine", sei das Einzige gewesen, was ihre Mutter in diesem Zusammenhang zu sagen pflegte. "Und mit diesem profunden Wissen wurde ich dann ins Leben entlassen", ironisiert sie. Nach zwangsläufig erster Liebe, ungewollter Schwangerschaft und darauf folgender Abtreibung, weiß sie nur zu gut um all die Liebessorgen ihrer Leidensgenossinnen: "Eine Frau sehnt sich nach der matriarchalischen Zeit zurück, in der sie eine Göttin war." Miss Looma ist aber auch eine Kennerin in Sachen sexueller Männerängste. Die Herren im Publikum schauen schon einmal kurz verschüchtert drein, als Claudia Riese zuerst betont, jeder achte Mann werde durchschnittlich ab dem 48sten Lebensjahr impotent - und dann die Männerriege abzuzählen beginnt. "Sex - aber mit Vergnügen!" ist über eineinhalb Stunden hinweg eine sinnliche Allein-Unterhaltung bei einem wirklich nicht einfach zu handhabendem Stoff. Auch und vor allem in Zeiten, da Medien und Öffentlichkeit eine Entmystifikation des Themas "Sex" zwar mit aller erdenklicher Direktheit angehen, diese jedoch häufig um den Preis betreiben, die Liebe ausschließlich auf das Körperliche zu reduzieren: Ohne ordinär zu werden, gelingt Riese der Umgang damit, selbst beim Gebrauch so "doofer Worte", die in den Intimbereich gehen. Sie spielt und singt bis ins Detail bemerkenswert - und vor allem herzlich komisch. So lautet der optimistische Ratschlag der Miss Looma für den Weg zum Glück in der Liebe nach diesem "Crashkurs" zwischengeschlechtlicher Psychologie schließlich: "Freut euch, dass der andere da ist, lasst los und denkt nicht nach." Neu-Ulmer Zeitung, Samstag, 03. Mai 2008 |
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Die Diva und die Sache mit Liebe und SexTheater Neu-Ulm eröffnet jetzt im KonzertsaalVon Redaktionsmitglied Heide von Preußen ![]() Ausverkaufte Vorstellung Am letzten Tag des Oktobers war es soweit: Neu-Ulm besitzt seit diesem Datum ein kleines, feines Zimmertheater im noch nicht ganz fertiggestellten Konzertsaal an der Silcherstraße. Das kleinste Theater Ulms, das Theater Neu-Ulm hat - in Privatinitiative den Sprung über die Donau gewagt. (Hintergründe hat die NUZ bereits ausführlich berichtet.) Und die beiden Initiatoren, Claudia Riese und Heinz Koch, sind auch gleich zur Sache gekommen: "Sex - aber mit Vergnügen", ein neues Stück von Franca Rame, Dario Fo, dem diesjährigen Literaturnobelpreisträger, und Jacopo Fo haben sie ausgewählt und als Ein-Frau-Stück wohlüberlegt auf die Bretter ihres neuen Domizils gebracht. Bereits vor Beginn im Foyer fand sich eine Schar von Theaterfreunden ein, darunter auch Oberbürgermeisterin Dr. Beate Merk, viele Stadträte und einige, die schon jahrelang Fans des Theaters sind. Schauspieler und Regisseur an diesem Abend, Heinz Koch, präsentierte sich im feinen grünen Pailletten-Jackett, begrüßte die Gäste und wiese ihnen den Weg hinauf in den ersten Stock ins Zimmertheater. Kerzen auf Bistrotischen Das "Mädchen für alles", sie stellt sich selbst als Lissie vor (Renate Koch), zündet an den vier Bistrotischchen die Kerzen an, und dann geht's schon in die Vollen. Durch den Spiegel schreitet ein blonder Vamp und singt gekonnt mit dem verruchten Hauch der Barfrau in der Stimme "Sex is a wonderful habit". Bei ihr (Claudia Riese) kann man das getrost unterschreiben, einige Herren konnten anerkennende (allerdings leise) Pfiffe nicht unterdrücken. Gekonnter Abgang mit entsprechendem Hüftschwung, und schwupp ist sie wieder in ihrer Garderobe gelandet, wo Lissie still, aber eifrig wegnimmt und zureicht. Und während sich die Hauptdarstellerin sorgfältig vor dem Spiegel die falschen Wimpern herunternimmt, hört man von einem männlichen Gast gut verständlich: "Jetzt nimmt sie sich auch noch gleich die Zähne raus." Wieder ein Knoten geplatzt, wieder Lachen, wieder das erwünschte Volkstheater, das Rame/Fo seit Jahren erfolgreich praktizieren. Und während der verschiedenen Schminkaktivitäten beginnt die Diva zur vorwiegend nur nickenden Lissie zu sprechen über in die Brüche gegangene Liebesbeziehungen, über Kindheitstraumata, über Aufklärung und Nichtaufklärung, über was wo an an welchem erogenen Körperteil liegt und aktiviert werden könnte. Bei Eva beginnt sie, zum zwar aufgeklärten, aber immer noch mit Akne behafteten Sohn schwenkt sie über, stellt danach wieder fest: "Adam mit seinem Ding war der Teufel, Eva mit ihrer Sache die Bessere." Befreiendes Lachen Kurz, es wird sprachlich in teils komischer, teils auch ein wenig nachdenklicher Weise (Übersetzung stammt von Renate Chotjewitz-Häfner) so alles angesprochen, was Knochen, Fleisch und irgendwelche anderen menschlichen Anziehungskräfte hat. Die Psychologie nicht zu vergessen, manch abwertende Überlegung trifft den Besucher, andere - ha, man weiß Bescheid, ist aufgeklärt - löst befreiendes Lachen aus. Und nicht zu vergessen: Die Anatomie des menschlichen Unterkörpers ist ziemlich genau getroffen. Dazwischen hat die Diva ihre Auftritte, gekonnte, verrucht und überzeugend. Mit am besten vielleicht ist Claudia Riese der heikle Part des Marlene-Dietrich-Auftritts "Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt" gelungen. Bewußt wurde das blonde Perückenhaar vermieden, aber die Sexy-Aufmachung war vom Feinsten, und der Zylinder fehlte auch nicht. Riese hat den schwierigen Durchlauf des Ein-Personen-Stücks,
eine der anstrengendsten Formen, die es überhaupt beim Theater
gibt, da sie hohe Konzentration und gleichzeitig aber auch ein
individuelles Ansprechen des Publikums erfordert, gut bewältigt.
Während rund eineinhalb Stunden mit Charme und Witz und Schnauze
wurde man nach Rame/Fo-Art ehrlich und ohne Schönfärberei
unterhalten. Abwechslungsreiche Streuer hat Regisseur Heinz Koch
einsprengseln lassen, Tobias Wahren mit seiner Bühnenmusik
und Veronika Kahle mit den gewagten Kostüme taten das ihre
dazu, daß dieser erste Start eines Zimmertheaters Neu-Ulm
so gelang, daß man schon auf die nächsten Theater-Spaziergänge
gespannt sein darf.
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THEATER NEU-ULM/Premiere in der Silcherstraße Die Lehrstunde in der UmkleidekabineClaudia Riese glänzte in dem Ein-Personen-Stück "Sex - aber mit Vergnügen"Mit dem Ein-(einhalb-)Personenstück "Sex - aber mit Vergnügen" von Franca Rame, Dario und Jacopo Fo weihte das Neu-Ulmer Theater seine neuen Räumlichkeiten in der Silcherstraße ein. ![]() Dabei geht SIE chronologisch vor: SIE fängt bei Adam und Eva an, bei Adams erster Erfahrung mit seinem Teufel und Evas erster Begegnung mit ihrer Hölle. SIE streift dann die Zeit ihrer eigenen Jugend, in der man den Bereich der weiblichen Scham noch verlegen "vorderes Gesäß" nannte, in der die Jungen irgendwann bemerkten: "Oh, da ist ein Loch!" und in der Mädchen in den zu engen Hosen der Jungen Gemüsegurken wähnten. SIE redet über das Schwangerwerden, über Scrotum, Klitoris und natürlich über den Orgasmus, den SIE lieber Kirsche nennen würde. Kurz: Sie ergeht sich in bodenständiger Direktheit und angriffslustiger Anschaulichkeit in allem, was im weitesten, vor allem aber in engerem Sinne mit Sex zu tun hat; und SIE tut das mit Vergnügen. Das heißt: nicht immer, denn es gibt Passagen in dieser episodischen Komödie ohne Handlung, die durchaus nichts Spaßiges haben und kaum zum Lachen gedacht sind, etwa jene Passage, in der SIE sich zum Thema Abtreibung äußert. Solche unspaßigen Stellen wirken häufig etwas belehrend und erwecken den Eindruck, als habe hier der eine oder die andere der drei Autoren noch schnell seine persönliche Meinung unterbringen wollen. Andere Stellen sind dagegen durchaus komisch, vor allem solche, deren Direktheit das, was man durchs Fernsehen längst gewöhnt ist, noch kraftvoll überbietet. Wo das nicht der Fall ist, dort ist freilich die Gefahr des müden Schmunzelns nicht eben klein. Dem Klamauk darf man als Zuschauer dieses Stückes nicht gänzlich abgeneigt sein. Dazu gehört etwa die Szene, in der sich das spröde Garderobenfräulein (gespielt von Renate Koch) einer Orgasmus-Lektion unterzieht und sich alle Mühe gibt, den Anweisungen vom Tonband gerecht zu werden. Was auch immer man von dem Stück halten will, es ist IHR, das heißt Claudia Rieses großes Verdienst, die verschiedenen Elemente dieses überaus materialreichen Brainstormings zum Thema Sex mit ihrer überzeugenden Darstellung zu einer dichten, kurzweiligen Einheit zusammengeschlossen zu haben, so daß man Grund hat, auf die nächsten Veranstaltungen des Theaters gespannt zu sein. Jörn Heller, Südwest Presse, 3. Novemver 1997 |