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"Faust" künstlerisch
ein großer Erfolg
Epilog zu unserem Faust.
Unser "Faust I" war künstlerisch
ein sehr großer Erfolg. Wir haben aus unserer Sicht eine
reife Leistung erbracht. Natürlich ist man nie ganz zufrieden.
Außerdem ist es schwer, ein so mit Vorurteilen jeder Art
belegtes Werk zu bringen. Es jedem recht zu machen, ist ohnhin
nicht möglich. Bei der ersten Aufführung im "Ulmer
Zelt" war das Publikum total begeistert. Das Ensemble wurde
minutenlang gefeiert, insbesondere die Regie von Claudia Riese.
Es gab viele Blumen. Und vom Publikum im Wiblinger Klosterhof
sowie von den Besuchern der Aufführungen im Neu-Ulmer Konzertsaal
gab's nur positive Resonanz. Wir haben uns gefreut, daß
auch sehr, sehr viele Junge kamen. Die offiziellen Besprechungen
in den Zeitungen (siehe weiter unten), die sich kritisch gaben,
mußten zugeben, daß das Publikum sehr mit der Inszenierung
und dem Spiel einverstanden waren.
Die Produktion wurde unterstützt vom Land Baden-Württemberg
(danke), von der Stadt Ulm (danke), vom "Freundeskreis Theater
in Wiblingen" (herzlichen Dank) und privaten Sponsoren (besonders
herzlichen Dank) und enstand in Kooperation mit "Das Ulmer
Zelt" sowie dem "dansarts ballett centrum".
Unser Bühnenbildner war der junge Bildhauer
Oliver Braig aus Berg bei Ehingen. Von dem halten wir viel. Wir
glauben, daß er eine gute Zukunft in seinem Metier hat.
Weil wir im letzten Jahr Barbara Gaudiosi als Freundin gewonnen
hatten, war sie auch in diesem Jahr wieder dabei. Es war zwar
für beide Seiten ein großer Kraftaufwand - sie mußte
sich zwei Monate aus dem schönen Padua und von ihrem Freund
loseisen -, aber es hat sich gelohnt, sie nach Ulm zu locken,
und das Publikum hatte den Gewinn.
Tobias Wahren hat uns mit seiner Tonsetzer-Kunst einen Riesendienst
erwiesen. Das hört man. Ohne ihn wäre nichts gegangen.
Der ehemalige Chordirektor des Ulmer Theaters und heute freie
Künstler hat außerordentlich präzise und diszipliniert
gearbeitet, rasend schnell und vor allem: inspiriert. Wir waren
begeistert.
Die Titelrolle spielte Heinz Koch, den Mephisto
Clemens Grote, Frau Marthe spielte Angela Böhmer, das Gretchen
spielte Ruth Kerner, den Schüler spielte Christian Hageleit,
die Hexe tanzte Barbara Gaudiosi, die Choreographie besorgte Ballettmeisterin
Catherine Krummenacher (Chefin des "dansarts ballett centrum"
in Ulm), für die Kostüme zeichnete Veronika Kahle (Kostümbildnerin
und Chefin des Ulmer Kostümverleih) verantwortlich..
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Was wir als freie Bühne
in "Faust" sehen: Er ist der Prototyp des gescheiterten
westlich-abendländischen Menschen, vollgesogen mit Wissen,
aus Frust mit Magie experimentierend, an beidem verzweifelnd und
suizid-gefährdet, hoffend, womöglich so in neue Sphären
der Erkenntnis vorzustossen. Irgendwas noch hält ihn ab,
aus dem Leben zu scheiden - und dann hilft ihm eine ganz alltägliche
Teufelei über die Zeit, mit abgeschmackten Zerstreuungen
verbringt er die Tage, feiert permanent Walpurgisnacht, geht dabei
über Leichen, bemüht sich immer strebend (was immer
das ist), kommt davon - oder nicht...Ende offen, das nächste
Jahrtausend bitte!
Zelt-Publikum vom "Faust" des
Theater Neu-Ulm sehr begeistert.
Bei der Vorpremiere der diesjährigen Sommertheater-Produktion
des Theater Neu-Ulm am 1. Juli im Ulmer Zelt war das Publikum
sehr begeistert. Es gab zum Schluß Ovationen, Bravostürme
und viele Blumen. Zelt-Hauptamtlicher Peter Sömmer nannte
die Aufführung "überdurchschnittlich gut"
und befand: "Das war die ruhigste Sache in den drei Jahren,
die ich im Zelt dabei bin. Toll, wie konzentriert das Publikum
mitgegangen ist."
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Christina Mayer schreibt in der SüDWEST
PRESSE zur Vorpremiere des "Faust" im "Ulmer Zelt":
"Das Theater Neu-Ulm hat Goethes 'Faust'
für die kommende Freilichtsaison im Wiblinger Brauhof mit
Mut und Frische angepackt.
Die Zutaten für diesen 'Faust': ein zartes
Gretchen, ein witziger Mephisto, eine kokette Frau Marthe und
ein nachdenklicher Faust. Alles auf das Anschaulichste verkleidet,
klassisch angerichtet und mit einem Schuß Esprit gewürzt.
Auch der Überraschungseffekt fehlt nicht. Er kommt am Schluß
der Inszenierung. Das Theater Neu-Ulm, bestehend aus Claudia Riese
und Heinz Koch, hat sich für die Aufführung gleich vervierfacht.
Zu den Schauspielerimporten kommen noch Tänzerinnen des 'dansarts
ballett centrum', Beleuchtung und Bühnenbildner. Verdoppelt
haben sich die Premieren. Premiere Nummer 1 fand im Ulmer Zelt
statt. Auf der Zeltbühne musste sich das Bühnenbild
einschränken. Am Freitag, 21 Uhr, im Brauhof des Klosters
Ulm-Wiblingen soll sich der Faust zu voller Opulenz ausbreiten
können. Dann steht Faust im Freien. Kostüme, Bühnenbild
und Licht sind auf die Freiluftaufführung abgestimmt. Der
Teufel in Rot (natürlich) setzte schon im Ulmer Zelt einen
höllischen Glanzpunkt. Gretchen war ganz Mädchen. Faust
der Denker. Man darf gespannt sein, wie sich der Tragödie
erster Teil in der Premiere zweitem Teil zurechtmacht.
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Faust im Hexenkessel
Roland Mayer schreibt in der NEU-ULMER
ZEITUNG unter anderem:
"Das sprechtheatralische Duell zwischen Faust
(Heinz Koch) und Mephisto (Clemens Grote), das zum Blutspakt führt,
illustriert die Regisseurin Claudia Riese (die noch diverse Rollen
mimt) in Fausts schummriger Studierstube mit belebenden Multimedia-Figurationen.
Keck Christian Hageleit in der stehenden Kurzpartie des mephistoumgarnten
Studiosus in spe.
Dann köcheln die Hexenkessel auf Hochtouren.
Mephisto hat seine Sudweiber voll im Griff, die für Faust
den höllischen Trank fürs Symbol der schönen Helena
zubereiten, das für Faust in Gretchens Jungfernstube (mit
Schlichtheit beeindruckendes Bühnenbild: Oliver Braig) zur
Wirklichkeit wird.
Kochs Faust ist ein sinnierend zweifelnder, sehnsuchtsvoller
und zugleich sprachgewaltiger. Im Protagonisten-Duo ist der
anfangs sprechnervöse Grote mit Kratzfuß und tet-à-tete
durchaus der windige Pferdefuß, der alle Walpurgisnächte
diktiert. Catherine Krummenachers 'dansarts'-Hexenballett korrespondiert
zur Dramaturgie mit gutgemachter, spritziger Action (im Tanz-Team:
Barbara Gaudiosi, Christian Hageleit). Tobias Wahrens Musik
aus den Boxen gibt sich im beat-off mehr martialisch als klangmalerisch,
ist programmatisch ausgeklügelt, aber viel zu laut ausgesteuert.
'Faust' vom 'Theater Neu-Ulm': ein Sommertheater, das sonst
nichts versäumt, wo die Frauen (mit Angela Böhmer
als Marthe und Ruth Kerners Margarete, die sich vom süßen
Fratz zur tragischen Figur entwickelt) sensitive Momente ausspielen."
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KLOSTERHOF/Das Theater Neu-Ulm in Wiblingen
Ein Faust zum Knuddeln
Goethes großes Drama für laue
Sommernächte präpariert
Faust, das ist deutsch und schwer. Etwas für
dunkle Kellergewölbe und mächtige Theatertempel. Faust
in lauen Sommernächten? Das Theater Neu-Ulm präsentiert
nun im Wiblinger Klosterhof so etwas wie ,,Faust light''.
Was fehlt: Der Besuch in Auerbachs Keller ersatzlos
gestrichen, Fausts Famulus Wagner mußte ebenso dran glauben
wie Gretchens Bruder, aber der wäre ja ohnehin gleich gestorben.
Und noch so einiges wird ausgelassen. übrig blieb ein Faust,
der sich auf die Tragödie des Gretchens konzentriert, kurz
genug, daß man nicht allzusehr friert, nachts und draußen.
Doch nicht nur an Umfang wurde das Stück
leichter. Klar: Faust, gespielt von Heinz Koch, will sich nach
wie vor zu Anfang umbringen. Doch selbst wenn man nicht wüßte,
daß er's dann doch nicht tut, würde man wohl nicht
allzusehr um ihn bangen. Dieser Faust hadert zwar mit dem Leben,
aber das letzte bißchen Verzweiflung, das fehlt ihm. Und
wenn er um das Gretchen wirbt, dann ist er vor allem ein reiferer
Mann, mit dem die Gefühle durchgehen und der sich deshalb
etwas drollig anstellt - ein Faust zum Knuddeln.
Passend dazu spielt Ruth Kerner die Margarete
anfangs naiv, aber auch ein bißchen neckisch. Mephisto ist
ohnehin ein Zyniker, der mit leichtem Spott seine Überlegenheit
demonstriert. Clemens Grote gab ihm den halbseidenen Charme eines
Bordellbesitzers.
So wurde das schwere deutsche Drama leicht, eher
ein U-Faust als ein E-Faust. Deutschlehrer könnten ohne weiteres
ihre Klassen mitbringen, ohne sich groß Sorgen um die Einschlafquote
machen zu müssen. Das einzig Schwere schienen zeitweise die
zusammengeschweißten Metallobjekte des Bühnenbildes.
Fast könnte es eine große Party werden - die Walpurgisnachtszene
eine bizarre, pantomimische Orgie zu lauter Musik mit Pornogestöhne,
und Faust läßt sich unter Mephistos Anleitung mit Hexen
ein.
Doch Ruth Kerner gibt der Geschichte die Tragik
zurück: Sie spielt die leidende, verzweifelte Margarete,
das verständnislose Opfer der Wette zwischen Faust und Mephisto,
und sie spielt sie so entrückt und ätherisch, als würde
sie sich im nächsten Moment auflösen. Und das tut auch
Faust leid.
JOCHEN NEUMEYER in der Südwest
Presse am 14. Juli 1997
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